Das Buch Baruch

Kapitel 1: Vorgeschichte

Einleitung

1 Dies ist der Wortlaut des Buches, das Baruch, der Sohn Nerijas, des Sohnes Machsejas, des Sohnes Zidkijas, des Sohnes Hasadjas, des Sohnes Hilkijas, in Babel schrieb

2 im fünften Jahr, am siebten Tag des Monats, zur Zeit, als die Chaldäer Jerusalem erobert und in Brand gesteckt hatten.

 

Die öffentliche Verlesung des Buches

3 Baruch las den Inhalt dieses Buches vor in Gegenwart Jojachins, des Sohnes Jojakims, des Königs von Juda, und vor allem Volk, das zur Verlesung des Buches gekommen war,

4 ferner vor den Vornehmen, den königlichen Prinzen und den Ältesten, kurz in Gegenwart des ganzen Volkes, groß und klein, vor allen, die in Babel am Fluß Sud angesiedelt waren.

5 Und sie weinten, fasteten und beteten vor dem Herrn.

 

Die Rückgabe der silbernen Tempelgeräte

6 Dann legten sie Geld zusammen, jeder nach seinem Vermögen.

7 Dies sandten sie nach Jerusalem an den Priester Jojakim, den Sohn Hilkijas, des Sohnes Schallums, und an die übrigen Priester, sowie an das gesamte Volk, das noch bei ihm in Jerusalem war.

8 Baruch hatte die Geräte des Hauses des Herrn, die man aus dem Tempel mitgenommen hatte, am zehnten Siwan wieder erhalten, um sie ins Land Juda zurückzubringen, nämlich die silbernen Geräte, die Zidkija, der Sohn Joschijas, der König von Juda, hatte anfertigen lassen,

9 nachdem Nebukadnezzar, der König von Babel, Jojachin mit den Fürsten, Schlossern, Vornehmen und dem Kriegsvolk des Landes aus Jerusalem fortgeführt und nach Babel gebracht hatte.

 

Das Begleitschreiben

10 Sie erklärten: "Wir senden euch hiermit Geld. Kauft für dies Geld Tiere zum Brand- und Sündopfer nebst Weihrauch! Bereitet auch Speiseopfer und bringt sie dar auf dem Altar des Herrn, unseres Gottes!

11 Betet auch für das Wohlergehen Nebukadnezzars, des Königs von Babel, und für das Wohlergehen seines Sohnes Belschazzar, damit ihre Tage währen wie die Tage des Himmels über der Erde.

12 Der Herr verleihe uns Kraft und lasse unsere Augen leuchten, damit wir im Schutz Nebukadnezzars, des Königs von Babel, und seines Sohnes Belschazzar glücklich leben, ihnen lange Zeit dienen und Gnade vor ihnen finden.

13 Betet auch für uns zum Herrn, unserem Gott; denn wir haben gegen den Herrn,unseren Gott, gesündigt! Des Herrn Grimm und Zorn hat sich bis heute noch nicht von uns abgewandt.

14 Lest dieses Buch, das wir euch senden! Es soll im Haus des Herrn vorgelesen werden an den Versammlungstagen am Laubhüttenfest.

 

Das Gebet der Verbannten – Das Schuldbekenntnis

15 Dabei sprecht: 'Der Herr, unser Gott, ist gerecht. Wir aber müssen heute erröten vor Scham, wir, die Männer von Juda und die Bewohner von Jerusalem;

16 desgleichen unsere Könige und unsere Fürsten, unsere Priester, unsere Propheten und unsere Väter.

17 Denn wir haben gesündigt gegen den Herrn.

18 Wir sind gegen ihn ungehorsam gewesen und haben nicht auf den Befehl des Herrn, unseres Gottes, gehört, nach den Satzungen des Herrn zu wandeln, die er uns gegeben.

19 Von dem Tag an, da der Herr unsere Väter aus Ägypten wegführte, bis auf den heutigen Tag sind wir widerspenstig gewesen gegen den Herrn, unseren Gott, und haben leichtfertig seine Stimme überhört.

20 So hat sich denn an uns das Unheil geheftet und der Fluch, den der Herr seinem Knecht Mose angedroht, damals, als er unsre Väter aus Ägypten führte, um uns ein Land zu geben, das von Milch und Honig überfließt, wie es heute noch ist.

21 Doch wir haben nicht auf die Stimme des Herrn, unseres Gottes, gehört, trotz aller Mahnungen der Propheten, die er zu uns sandte.

22 Vielmehr ist ein jeder von uns nach den Gelüsten seines bösen Herzens gewandelt und hat fremden Göttern gedient und getan, was dem Herrn, unserem Gott, mißfällig war.

 

Kapitel 2: 'Der Herr, unser Gott, ist gerecht'

1 So hat denn der Herr sein Wort erfüllt, das er gegen uns und unsere Herrscher, die Israel regierten, gegen unsere Könige und Fürsten, gegen die Leute von Israel und Juda ausgesprochen:

2 Er werde großes Unheil über uns kommen lassen, wie es noch nie unter dem ganzen Himmel geschehen sei, aber nun in Jerusalem geschehen ist, gemäß dem, was im Gesetz des Mose geschrieben steht,

3 ein jeder von uns werde das Fleisch seines Sohnes und das Fleisch seiner Tochter essen.

4 Er gab sie in die Gewalt aller Reiche rings um uns her, als Gegenstand der Schmähung und des Fluches bei allen Völkern ringsum, unter die der Herr sie zerstreute.

5 So ging es abwärts mit uns statt aufwärts, weil wir gegen den Herrn, unseren Gott, sündigten und auf seine Stimme nicht hörten.

6 Der Herr, unser Gott, ist gerecht. Wir aber und unsere Väter müssen heute erröten vor Scham.

7 Was der Herr uns angedroht, all dieses Unheil ist über uns gekommen.

8 Wir aber haben den Zorn des Herrn nicht dadurch besänftigt, daß ein jeder sich vom Trachten seines bösen Herzens bekehrt hätte.

9 Darum blieb der Herr auf das Unheil bedacht und ließ es auch über uns hereinbrechen. Denn der Herr ist gerecht in all seinen Werken, die er uns gebot.

10 Wir aber haben nicht auf seinen Befehl gehört, nach den Satzungen des Herrn zu wandeln, die er uns gegeben.

 

Bitte um Erbarmen

11 Doch nun, Herr, Gott Israels, der du dein Volk aus Ägypten geführt hast mit starker Hand durch Zeichen und Wunder, mit großer Macht und gerecktem Arm, und dir so einen Namen gemacht hast bis auf den heutigen Tag:

12 Wir haben gesündigt, haben gottlos gehandelt, Unrecht getan, Herr, unser Gott, gegen all deine Gebote.

13 Doch jetzt wende sich dein Zorn von uns ab. Denn nur ein kleiner Rest ist von uns übriggeblieben unter den Völkern, unter die du uns zerstreut hast.

14 Erhöre, o Herr, unser Gebet und unser Flehen! Rette uns um deinetwillen! Laß uns Gnade finden bei denen, die uns weggeführt!

15 So soll alle Welt erfahren, daß du der Herr, unser Gott bist! Ist doch nach deinem Namen Israel und sein Geschlecht benannt.

16 O Herr, schau auf uns herab von deiner heiligen Wohnung und merke auf uns! Neige, o Herr, dein Ohr und höre!

17 Öffne deine Augen und sieh! Nicht die Toten in der Unterwelt, aus deren Innern der Lebensodem entflohen ist, verherrlichen den Herrn und preisen seine Gerechtigkeit.

18 Vielmehr die Seele, die tiefbetrübt ist, und was gebeugt und kraftlos einhergeht, die Augen, die verschmachten, und die Seele, die hungert, die verherrlichen dich, o Herr, und preisen deine Gerechtigkeit.

19 Nicht um der Verdienste unserer Väter und unserer Könige willen flehen wir zu dir, Herr, unser Gott.

20 Denn du hast deinen Grimm und deinen Zorn gegen uns gesandt, wie du durch deine Knechte, die Propheten, vorherverkündet:

21 So spricht der Herr: Beugt euren Nacken und dient dem König von Babel! Dann werdet ihr im Land bleiben, das ich euren Vätern gegeben habe.

22 Wenn ihr aber auf den Befehl des Herrn, dem König von Babel zu dienen, nicht hört,

23 werde ich aus den Städten Judas und den Gassen Jerusalems den Jubelruf und den Laut der Freude, das Frohlocken des Bräutigams und der Braut verschwinden lassen; und das ganze Land wird zu einer menschenleeren Wüste werden.

24 Wir aber haben nicht auf dein Gebot, dem König von Babel zu dienen, gehört. Darum hast du dein Wort in Erfüllung gehen lassen, das du durch deine Knechte, die Propheten, verkündet, daß die Gebeine unserer Könige und unserer Väter aus ihren Gräbern rausgeworfen werden sollten.

25 Und wahrlich, sie wurden rausgeworfen an die Hitze des Tages und an die Kälte der Nacht. Sie waren unter großen Qualen durch Hunger, Schwert und Pest dahingerafft worden.

26 Auch das Haus, das nach deinem Namen benannt ist, hast du zu dem gemacht, was es heute ist, wegen der Bosheit des Hauses Israel und des Hauses Juda.

 

Das Vertrauen auf die Verheißung

27 Doch hast du, Herr, unser Gott, an uns nach all deiner Güte und nach deinem ganz großen Erbarmen gehandelt,

28 wie du es durch deinen Knecht Mose verheißen hast damals, als du ihm auftrugst, dein Gesetz für die Söhne Israels aufzuschreiben.

29 So hast du gesprochen: Wenn ihr nicht auf meine Stimme hört, wahrlich, dann wird diese große, zahlreiche Volksmenge zu einem kleinen Häuflein unter den Heiden werden, unter die ich sie zerstreuen will.

30 Denn ich weiß, daß sie nicht auf mich hören werden, da sie ein halsstarriges Volk sind. Doch sie werden es sich im Land ihrer Verbannung zu Herzen nehmen und erkennen, daß ich, der Herr, ihr Gott bin.

31 Dann werde ich ihnen ein Herz geben und Ohren, bereit zu hören.

32 Sie werden mich im Land ihrer Verbannung preisen, meines Namens gedenken

33 und sich von ihrer Halsstarrigkeit und ihren bösen Taten abwenden, weil sie das Schicksal ihrer Väter bedenken, die vor dem Herrn gesündigt haben.

34 Dann werde ich sie in das Land zurückführen, das ich ihren Vätern Abraham, Isaak und Jakob durch Eidschwur versprochen habe, und sie sollen es besitzen. Ich will sie mehren, und sie sollen nicht mehr vermindert werden.

35 Und ich will mit ihnen einen ewigen Bund schließen: Ich will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein, und ich will mein Volk Israel nie wieder aus dem Land vertreiben, das ich ihnen gegeben habe.

 

Kapitel 3: Bitte um Befreiung aus der Gefangenschaft

1 Allmächtiger Herr, Gott Israels! Eine bedrängte Seele, ein betrübter Geist ruft zu dir.

2 Höre; Herr! Habe Erbarmen! Denn wir haben uns verfehlt gegen dich.

3 Du herrschest ewiglich, und wir sollten auf immer verloren sein?

4 Allmächtiger Herr, Gott Israels! Erhöre doch in Israel das Gebet der dem Tod Verfallenen und der Söhne derer, die gegen dich gesündigt, die nicht auf deine, ihres Gottes, Stimme gehört haben und denen darum das Unheil auf dem Fuß gefolgt ist!

5 Gedenke nicht der Missetaten unserer Väter! Gedenke in dieser Zeit vielmehr deines starken Armes und deines Namens!

6 Denn du bist der Herr, unser Gott! Dich wollen wir preisen, o Herr!

7 Denn darum hast du Furcht vor dir in unser Herz gelegt und uns dazu gebracht, deinen Namen anzurufen. Wir wollen dich preisen im Land unserer Verbannung; denn unser Herz hat sich abgewandt von allem Unrecht unserer Väter, die gegen dich gesündigt haben.

8 Doch siehe, noch heute leben wir in unserer Gefangenschaft, wohin du uns zerstreut hast, als Gegenstand der Schmähung und des Fluches, zur Sündenstrafe für alle Missetaten unserer Väter, die abgewichen sind vom Herrn, unserem Gott'"

 

Des Propheten Mahnung, zur Quelle der Weisheit zurückzukehren

Ursache des Unglücks Israels

9 Höre, Israel, die Gebote des Lebens! Merkt auf, daß ihr Einsicht gewinnt!

10 Wie kommt es doch, Israel, daß du weilst im feindlichen Land? Daß du hinsiechst auf fremder Erde?

11 Unrein wardst mit den Toten? Daß man dich zu denen zählt, die in die Grube gesunken?

12 Der Weisheit Quelle hast du verlassen!

13 Wärst du gewandelt auf Gottes Weg, hättest du stets in Wohlstand wohnen können.

14 Jetzt aber lerne, wo Weisheit ist, wo Kraft und wo Einsicht zuhause, daß zugleich du erkennst, wo langes Leben und Lebensglück, wo strahlende Augen und Frieden.

15 Doch wer hat der Weisheit Stätte gefunden? Wer ist zu ihren Schätzen gedrungen?

 

Wer kennt den Weg zur Weisheit?

16 Wo sind sie, die Gebieter der Völker, die sogar die Tiere auf Erden beherrschten,

17 die mit den Vögeln des Himmels spielten? Die Silber und Gold aufhäuften, worauf die Menschen vertrauen? Sie mehrten endlos ihren Besitz.

18 Wo sind sie, die Silberschmiede, die sich mühten, unnachahmliche Werke zu schaffen?

19 Sie sind verschwunden, sie fuhren zur Tiefe, und andere traten an ihre Stelle.

20 Jüngere schauten das Licht und wohnten auf Erden. Doch den Weg zur Weisheit erkannten sie nicht.

21 Sie begriffen nicht ihre Pfade. Auch ihre Kinder erlangten sie nicht; dem Weg zu ihr bleiben sie fern.

22 In Kanaan ist nichts verlautet von ihr. Sie ward nicht gesehen in Teman.

23 Hagars Söhne, die weisheitsforschend die Erde durchziehen, die Kaufleute Midians und Temans, Dichter von Sprüchen, Forscher nach Einsicht: Den Weg zur Weisheit erkannten sie nicht, noch hatten sie Kunde von ihren Pfaden.

24 O Israel, wie ist doch so groß Gottes Haus, wie weit seines Eigentums Stätte!

25 Groß und endlos, hoch, unermeßlich!

26 Darin waren die Riesen, die hochberühmten, die vor Zeiten lebten, hoch an Wuchs und kundig des Krieges.

27 Nicht diese hat Gott sich erkoren, nicht ihnen den Weg zur Weisheit gezeigt.

28 Auch sie kamen um, weil sie nicht Einsicht besaßen. Sie gingen zugrunde in ihrer Torheit.

29 Wer stieg zum Himmel hinauf, sie zu holen? Wer brachte sie aus den Wolken herab?

30 Wer fuhr übers Meer und hat sie gefunden? Wer hat sie erworben für lauteres Gold?

31 Da ist keiner, der zu ihr wüßte den Weg, ihres Pfades ist keiner kundig.

 

Gott allein hat alle Wege der Weisheit erforscht

32 Nur er, der Allwissende, kennt auch sie. Er durchforscht sie mit seiner Einsicht, er, der die Erde für immer schuf, der sie mit lebenden Wesen erfüllte.

33 Er, der den Blitz hinschickt, und er enteilt; der ihn ruft, und mit Zittern gehorcht er:

34 Froh leuchten die Sterne auf ihren Posten;

35 er ruft sie – sie sagen: "Hier sind wir!" Sie leuchten mit Freuden vor dem, der sie schuf.

36 Das ist unser Gott! Neben im gilt kein anderer.

37 Er hat alle Wege der Weisheit erforscht, hat sie Jakob verliehen, seinem Knecht, Israel, seinem Liebling.

38 Seitdem ist sie auf Erden erschienen und hat mit den Menschen verkehrt.

 

Kapitel 4:

1 Sie ist das Buch der Gottesgebote, das Gesetz, das für immer besteht. Wer festhält an ihr (= der Weisheit), erlangt das Leben; dem Tod verfällt, wer sie verläßt.

2 So bekehre dich, Jakob! Ergreife sie! Wandle im Glanz ihres Lichtes!

3 Gib deinen Ruhm keinem anderen preis; nicht einem fremden Volk, was dir frommt!

4 Heil uns, Israel! Weil uns bekannt ist, was Gott gefällt.

5 Fasse Mut, mein Volk, dem der Ehrenname 'Israel' ward!

6 Wohl seid ihr verkauft an die Heiden, doch nicht zur Vernichtung. Weil Gott ihr erzürntet, den Feinden ihr preisgegeben seid;

7 denn zum Zorn gereizt habt ihr euren Schöpfer, da ihr den Dämonen geopfert, nicht Gott.

8 Den habt ihr vergessen, der Leben euch gab, den ewigen Gott. Auch Jerusalem habt ihr betrübt, das euch großzog.

 

Jerusalems Klage

9 Denn von Gott sah es kommen den Zorn über euch und hat so gesprochen: "Hört, Zions Nachbarn! Große Trauer hat Gott mir verhängt.

10 Denn ich sah meiner Söhne und Töchter Verbannung, die der Ewige über sie gebracht.

11 Großgezogen hatte ich sie mit Wonne – mit Weinen und Trauer ließ ich sie ziehen.

12 Niemand möge sich über mich freuen, die ich Witwe ward, von so vielen verlassen! Einsam bin ich geworden wegen der Sünden meiner Kinder, weil sie gewichen von Gottes Gesetz,

13 seine Satzungen nicht beachtet, der Gottesgebote Wege nicht gingen, nicht schritten die Pfade der Zucht nach seiner Vorschrift.

14 Kommt, Zions Nachbarn! Gedenkt meiner Söhne und Töchter Verbannung, die der Ewige über sie brachte.

15 Denn er führte aus weiter Ferne ein Volk gegen sie, ein freches Volk mit fremder Sprache, das vor Greisen nicht Scheu, mit Kindern nicht Mitleid hatte.

16 Es führte der Witwe Lieblinge fort. Es raubte der Vereinsamten Töchter.

 

Jerusalems Hoffnung

17 Doch ich, wie kann ich euch helfen?

18 Nur er, der das Unheil heraufgeführt, kann aus der Hand eurer Feinde euch retten.

19 Zieht fort, ihr Kinder, zieht fort! Ich muß ja verlassen, vereinsamt sein.

20 Des Friedens Gewand habe ich abgelegt, zog an meines Flehens Bußkleid. Alle Tage will ich zum Ewigen rufen.

21 Habt Mut, ihr Kinder! Ruft zu Gott! Er wird euch aus der Gewalt, aus der Hand der Feinde erretten.

22 Vom Heiligen wird mir Freude zuteil ob des Erbarmens, das euch bald geschenkt wird vom Ewigen, eurem Retter.

23 Denn mit Weinen und Trauern ließ ich euch ziehen, doch zur Wonne schenkt Gott euch mir wieder, zur Freude für ewige Zeiten.

24 Denn wie jetzt Zions Nachbarn eure Wegführung sahen, so schauen sie bald eure Rettung durch Gott, die euch zuteil wird, mit großen Gepränge, mit des Ewigen Glanz.

25 Kinder, ertragt mit Geduld den Zorn, der von Gott her über euch hereinbrach! – Dich verfolgte der Feind? – doch schaust du in Kürze auch sein Verderben und setzt ihm den Fuß auf den Nacken.

26 Auf rauhen Pfaden mußten wandern meine zarten Kinder. Man schleppte sie fort wie eine Herde, vom Feind geraubt.

27 Faßt Mut, ihr Kinder! Ruft zu Gott! Denn der dies verhängt hat, wird euer gedenken.

28 Wie euer Sinn geneigt war, abzuirren von Gott, so zeigt jetzt zehnfachen Eifer, ihn wieder zu suchen.

29 Denn er, der das Unheil über euch brachte, wird euch auch ewige Freude schenken durch eure Rettung."

 

Des Propheten Trost an Jerusalem

30 Fasse Mut, Jerusalem! Der den Namen dir gab, wird dich trösten.

31 Weh denen, die Böses dir taten, sich freuten ob deines Falles!

32 Weh den Städten, denen dienstbar waren deine Kinder! Weh auch ihr, die weggeführt deine Kinder!

33 Denn wie sie sich freute bei deinem Sturz und frohlockt hat ob deines Falles, so wird sie trauern ob eigener Verödung.

34 Ich will ihr die Freude nehmen an ihrem zahlreichen Volk und will ihren Stolz verwandeln in Weh.

35 Denn Feuer wird über sie kommen auf viele Tage vom Ewigen her. Dämonen werden sie lange bewohnen.

36 Blicke nach Osten, Jerusalem! Schau die Freude, die dir kommt von Gott!

37 Siehe, deine Kinder kommen, die du ziehen lassen mußtest. Sie kommen vom Osten und Westen, versammeln sich auf des Heiligen Weisung und freuen sich über die Herrlichkeit Gottes.

 

Kapitel 5:

1 Streife ab, Jerusalem, das Gewand deiner Trauer und deines Elends! Lege an den herrlichen Schmuck, den Gott dir auf immer verleiht!

2 Wirf um den Mantel des Heiles von Gott! Setze dir aufs Haupt des Ewigen herrlichen Stirnreif!

3 Denn die ganze Erde läßt Gott deine Herrlichkeit unter dem Himmel schauen.

4 Gott gibt dir auf ewig als Namen: 'Der Gerechtigkeit Friede' und 'Der Gottesfurcht Pracht'.

5 Stehe auf, Jerusalem! Steige auf die Höhe und blicke nach Osten! Siehe, versammelt sind deine Kinder vom Untergang bis zum Aufgang der Sonne auf des Heiligen Weisung, voller Freude, daß Gott ihrer gedacht.

6 Sie zogen zu Fuß von dir fort, von den Feinden getrieben, doch Gott führt zu dir sie zurück, wie auf Königsthronen getragen.

7 Denn geboten hat Gott: Abtragen soll man jeden hohen Berg und die ewigen Hügel, die Täler auffüllen zu ebenem Land, daß Israel sicher einherziehe unter der Herrlichkeit Gottes.

8 Auch die Wälder und allerlei duftendes Holz spenden Israel Schatten auf Gottes Geheiß.

9 Gott selbst geleitet ja Israel voll Wonne im Licht seiner Herrlichkeit; Gnade und Gerechtigkeit kommen von ihm.

 

Kapitel 6: Anhang: Der Brief des Jeremia

Einleitung

1 Abschrift des Briefes, den Jeremia an jene sandte, die vom König der Babylonier als Gefangene nach Babel weggeführt werden sollten, um ihnen kundzutun, was ihm von Gott aufgetragen war. – "Wegen der Sünden, die ihr gegen Gott begangen habt, werdet ihr von Nebukadnezzar, dem König der Babylonier, gefangen nach Babel weggeführt werden.

2 Wenn ihr dann nach Babel gekommen seid, werdet ihr dort viele Jahre und eine lange Zeit bleiben, bis in das siebente Geschlecht. Dann aber werde ich euch in Frieden von dort heimführen.

3 Nun werdet ihr in Babel Götter von Silber, Gold und Holz sehen, die man auf den Schultern trägt. Den Heiden flößen sie Schrecken ein.

4 Hütet euch, daß nicht auch ihr den Fremden gleich werdet, und daß nicht auch euch die Furcht vor ihnen erfaßt.

5 Wenn ihr seht, daß die Volksmenge, die vor oder hinter ihnen hergeht, sie anbetet, so denkt bei euch: "Dich allein, o Herr, muß man anbeten."

6 Denn mein Engel ist bei euch; der wird von euch Rechenschaft fordern.

 

Die Torheit des Götzendienstes

Die Götzen, Gebilde von Menschenhand

7 Ihre Zunge ist von einem Handwerker geglättet. Sie sind vergoldet und versilbert: Trug sind sie, und reden können sie nicht.

8 Man nimmt Gold wie für eine putzsüchtige Jungfrau

9 und verfertigt daraus Kronen für die Häupter seiner Götter. Manchmal nehmen aber die Priester das Gold und Silber ihren Göttern weg und verwenden es für sich selbst.

10 Ja, sie machen sogar den Dirnen im Haus davon Geschenke. Sie schmücken auch die silbernen, goldenen und hölzernen Göttern nach Menschenart mit Gewändern.

11 doch diese können sich vor Rost und Zerfressenwerden nicht schützen. Auch wenn sie mit Purpur umhüllt sind,

12 müssen sie sich doch den Staub vom Gesicht abswischen lassen, der im Tempel entsteht und dick auf ihnen liegt.

13 Mancher führt auch ein Zepter wie ein Fürst im Land, kann aber niemand töten, der sich gegen ihn verfehlt.

14 Mancher trägt ein Schwert in seiner Rechten oder ein Beil. Doch kann er sich weder bei Krieg noch bei Räubergefahr wehren. Daraus kann man ersehen, daß sie keine Götter sind. Fürchtet euch also nicht vor ihnen!

 

Unfähig, sich selbst zu schützen

15 Wie ein Gefäß für den Menschen unbrauchbar wird, sobald es zerbrochen ist,

16 so steht es mit ihren Göttern. Sind sie in den Tempeln aufgestellt, werden ihre Augen voll Staub von den Füßen derer, die eintreten.

17 Und wie die Höfe ringsum abgeschlossen werden, wenn einer, der sich am König vergangen hat, zum Tod geführt werden soll, (damit er nicht befreit wird,) so verwahren die Priester ihre Tempel mit Toren, Schlössern und Riegeln, damit jene von Räubern nicht gestohlen werden.

18 Sie zünden ihnen Lichter an, und zwar mehr als für sich selbst, die jenen aber nicht das Sehen ermöglichen können.

19 Sie gleichen den Balken am Tempel, deren Inneres, wie man sagt, zerfressen wird. Von dem Gewürm, das aus der Erde kriecht und das sie samt ihren Kleidern zernagt, merken sie nichts.

20 Ihr Gesicht ist geschwärzt vom Rauch im Tempel,

21 auf ihren Leib und ihren Kopf fliegen Fledermäuse, Schwalben und andere Vögel; auch Katzen springen hinauf.

22 Daraus könnt ihr ersehen, daß sie keine Götter sind. Fürchtet euch also nicht vor ihnen!

 

Unfähig, sich zu bewegen und zu ernähren

23 Wenn man vom Gold, das sie zur Zier umgibt, nicht den Belag entfernt, glänzen sie nicht. Sie fühlten es ja auch nicht, als sie gegossen wurden.

24 Für einen teuren Preis hat man sie gekauft, obwohl kein Lebensodem in ihnen ist.

25 Da sie ohne Füße sind, muß man sie auf den Schultern tragen. So verraten sie den Menschen ihren eigenen Unwert. Auch die sie verehren, müssen sich schämen.

26 Denn wenn einer zu Boden fällt, kann er sich nicht von selbst erheben. Stellt ihn dann jemand wieder auf, kann er sich nicht von selbst bewegen. Gerät er in eine schiefe Lage, kann er sich nicht von selbst wieder gerade hinstellen. Wie Toten setzt man ihnen die Gaben vor.

27 Was man ihnen opfert, verkaufen ihre Priester zum eigenen Gewinn. Desgleichen pökeln auch ihre Frauen davon ein. Doch einem Armen oder Kranken geben sie nichts davon mit.

28 Selbst Frauen, die unrein sind, und Wöchnerinnen berühren ihre Opfer. Habt ihr daraus erkannt, daß sie keine Götter sind, so fürchtet euch auch nicht vor ihnen!

 

Unfähig, zu helfen und zu strafen

29 Wie könnte man sie Götter nennen? Setzen doch selbst Frauen den silbernen, goldenen und hölzernen Göttern die Gaben vor.

30 Und in ihren Tempeln sitzen die Priester mit zerrissenen Kleidern, Kopf und Bart geschoren, und mit entblößtem Haupt.

31 Sie schreien und heulen vor ihren Göttern, wie es manche beim Totenmahl tun.

32 Die Priester nehmen sich von ihren Gewändern und kleiden damit ihre Frauen und Kinder.

33 Ob sie Böses von jemand erfahren oder Gutes: sie sind außerstande, es zu vergelten. Einen König können sie weder einsetzen noch absetzen.

34 Desgleichen können sie weder Reichtum noch Geld schenken. Macht man ihnen ein Gelübde und hält es nicht, dringen sie nicht auf Erfüllung.

35 Sie können keinen Menschen vom Tod erretten, noch den Schwachen von dem Stärkeren befreien.

36 Blinden vermögen sie das Augenlicht nicht wiederzugeben. Niemanden erretten sie aus der Not.

37 Sie erbarmen sich nicht der Witwen. Den Waisen tun sie nicht Gutes.

38 Steinen aus dem Gebirge gleichen ihre hölzernen, vergoldeten und versilberten Götzen. Die sie verehren, müssen sich schämen.

39 Wie kann man da glauben oder behaupten, sie seien Götter?

 

Verunehrung der Götzen durch ihre eigenen Anhänger

40 Selbst die Chaldäer verunehren sie. Sehen sie nämlich einen Stummen, der nicht reden kann, holen sie den Bel herbei und fordern, daß jener die Sprache erlange, als ob dieser hören könnte.

41 Und obwohl sie dies einsehen, können sie doch nicht davon ablassen, denn sie haben kein Verständnis dafür.

42 Die Frauen sitzen mit Schnüren umwunden an den Wegen und räuchern Kleie.

43 Wird eine von ihnen von einem Vorübergehenden mitgenommen und hat sie sich mit ihm abgegeben, verspottet sie ihre Nachbarin, daß nicht auch sie gleich ihr für wert befunden wurde und ihre Schnur noch nicht zerrissen ist.

44 Alles, was bei ihnen geschieht, ist Trug. Wie kann man also glauben oder behaupten, sie seien Götter?

 

Der Götzen Ohnmacht bei Gefahr

45 Von Handwerkern und Goldschmieden sind sie gefertigt, und nichts anderes wird aus ihnen, als was die Werkleute mit ihnen vorhatten.

46 Ihre Hersteller erreichen selbst kein hohes Alter.

47 Wie sollte es anders mit dem sein, was sie verfertigt haben? Sie hinterlassen ihren Nachkommen nur Trug und Schande.

48 Kommt ein Krieg oder sonst ein Unheil über sie, beratschlagen ihre Priester, wo sie sich mit ihnen verstecken können.

49 Wie sollte man da nicht einsehen, daß sie keine Götter sind, sie, die nicht einmal sich selbst aus Krieg und Unheil retten können?

50 Man wird schließlich doch einmal einsehen, daß die hölzernen, vergoldeten und versilberten Götter nur Truggebilde sind. Allen Völkern und Königen wird es dann offenbar werden, daß sie keine Götter sind, sondern nur Machwerke aus Menschenhand, und daß keine Gotteskraft in ihnen wohnt.

51 Wem kann da unbekannt bleiben, daß sie keine Götter sind?

52 Sie können weder einen König im Land einsetzen, noch den Menschen Regen geben.

53 Sie können weder sich selbst Recht verschaffen noch vor Unrecht schützen, da sie so ohnmächtig sind

54 wie die Krähen zwischen Himmel und Erde. Denn wenn Feuer im Tempel der hölzernen, vergoldeten und versilberten Götter ausbricht, fliehen ihre Priester und retten sich. Sie selbst aber verbrennen darin wie die Balken.

55 Keinem König und keinem Feind können sie widerstehen.

56 Wie soll man da annehmen oder glauben, daß sie Götter sind? Weder vor Dieben noch vor Räubern vermögen sich diese hölzernen, versilberten und vergoldeten Götter zu schützen.

57 Da jene stärker sind als sie, nehmen sie ihnen das Gold und Silber und die Kleider weg, womit sie bekleidet sind, und gehen damit fort, ohne daß sie sich selbst helfen können.

 

Die Nutzlosigkeit falscher Götter

58 Darum ist es besser bestellt um einen König, der seine Macht beweist, oder um ein nützliches Hausgerät, das der Hausbesitzer gebrauchen kann, als um die falschen Götter; oder auch um die Tür am Haus, die das, was drinnen ist, verwahrt, als um die falschen Götter; oder um eine hölzerne Säule im Königspalast, als um die falschen Götter.

59 Sonne, Mond und Sterne leuchten und gehorchen willig, zum Nutzen der Menschen bestimmt.

60 Auch der Blitz ist herrlich anzusehen, wenn er aufleuchtet. Desgleichen weht der Wind in jedem Land.

61 Wird den Wolken von Gott befohlen, über die ganze Erde hinzuziehen, so vollbringen sie den Auftrag.

62 Wird das Feuer von Gott ausgesandt, Berge und Wälder zu verzehren, vollführt es, was befohlen war. Diese Götter aber kommen ihnen weder an Schönheit noch an Kraft gleich.

63 Daher kann man weder glauben noch behaupten, daß sie Götter sind; denn sie sind nicht imstande, zu strafen oder dem Menschen Gutes zu tun.

64 Da ihr also wißt, daß sie keine Götter sind, fürchtet sie nicht!

65 Sie können weder den Königen fluchen noch sie segnen.

66 Auch können sie den Heiden keine Zeichen am Himmel erscheinen lassen. Sie strahlen nicht wie die Sonne, noch leuchten sie wie der Mond.

67 Die Tiere sind besser dran als sie, weil sie an einen schützenden Ort fliehen und so sich retten können.

68 In keiner Weise ist es uns also ersichtlich, daß sie Götter sind. Darum fürchtet euch nicht vor ihnen!

 

Nichtigkeit der Götzen

69 Wie eine Vogelscheuche auf einem Gurkenfeld, die keinen Schutz gewährt, sind ihre hölzernen, vergoldeten und versilberten Götter.

70 Sie sind auch dem Dornstrauch im Garten gleich, auf den sich jeder Vogel setzt. Ihre hölzernen, vergoldeten und versilberten Götter gleichen Leichen, die ins Dunkel geworfen werden.

71 Auch am Purpur und Byssus, der auf ihnen vermodert, kann man erkennen, daß sie keine Götter sind. Zuletzt werden sie selbst zerfressen und sind ein Gegenstand des Spottes im Land.

72 Besser ist ein Mensch dran, der gerecht ist und keine Götzenbilder hat; denn er bleibt vor Schmach bewahrt."